
David Kaempfer mit Frau Marie geb. Lindwurm und ihren Enkelkindern (1931)
Die grinsenden Bengel sind die befreundeten Jürgen Schrader (ganz links, †1945)
und, Hand am Mund, mein Vater Wolfgang Kaempfer (1923-2009).
Meine Tante Edith sitzt auf Davids Schoß und ihre Schwester Renate lächelt ganz rechts.
Marie hält Baby Otfried Petzold, darüber seine Schwester Elisabeth („Kiekel“),
oben links ihr Bruder Gerhard Petzold, neben Jürgens Bruder Peter Schrader (†1944)
Gerhard Petzold über David Kaempfer und die Familie

I
Als jüngstes von 7 Kindern (6 Söhne, 1 Tochter) von Emilie geb. Lachmann und Cohn Kaempfer (1821-1901) wurde David Kaempfer am 5. April 1859 in Posen (Poznań) geboren. Alle (?) Geschwister sollen zwischen 1875 und 1890 nach Amerika ausgewandert sein (1). - Zur Vorgeschichte der Familie siehe die Posener Urkunden.

II




So haben die Enkelkinder ihren Großvater in Erinnerung: Als alter Mann war er zweifellos ein lieber Mensch. Otfried und auch mein Vater Wolfgang, der als Kind etwa von 1927 bis 1934 mit seinen Eltern und Schwestern im Braunschweiger Haus der Großeltern lebte, haben das bestätigt. Wolfgang hatte keine Kenntnis von Gerhards Bericht und war über Davids politische Einstellung anscheinend nicht informiert, sonst hätten wir bestimmt darüber gesprochen. Auch Otfried, den ich kürzlich dazu befragte, war zu klein, um mit seinem Opa politische Debatten zu führen. Gerhards Bericht lässt jedoch kaum Zweifel an seiner Überzeugung. Trotzdem will es nicht in meinen Kopf: Was nur empfand David, als die Synagogen im November 1938 brannten? Was wäre seine Reaktion gewesen, wenn man ihm gesagt hätte, dass die Züge, die Johanna und Erich, Georg, Herta, Evelyne und Marion, Gustav und Paula in den Tod beförderten, vielleicht noch auf Gliesmaroder Gleitlagern fuhren? Wäre er in Tränen der Wut ausgebrochen? Es ist anzunehmen...
Allerdings muss ich hier noch eine dieser Legenden einflechten, die in den Familien meist "Unschönes" vertuschen. An ihrer Wahrhaftigkeit aber zweifele ich keinen Augenblick. Es dürfte in der 1. Hälfte der 20er Jahre passiert sein, als die Kaempfer & Co noch in voller Blüte stand. Sinngemäß erzählte mein Vater die Anekdote wie folgt: Der einflussreiche Unternehmer nahm an einer Versammlung Braunschweiger Honorationen teil und antisemitische Parolen wurden laut. Da soll der "blonde" Dr. David Kaempfer aufgestanden sein und gesagt haben: "Meine Herren, ich muss diese Gesellschaft leider verlassen, denn ich bin Jude." Mein Vater hat dann immer hinzugefügt (denn er erzählte diese Geschichte oft und gerne): Die Herren Beamten mussten nicht sehr erfreut gewesen sein, denn der Großvater hatte ja das Geld!
Nur nebenbei: In den Monatsheften der den Freimaurern nahestehenden Comenius Gesellschaft (Jan./März 1922) habe ich eine Spende von 100 Mark der "Dr. Kaempfer & Co, Gliesmarode" gefunden.
DOKUMENTE
Zusammenfassung der
beruflichen Laufbahn

compil. and publ. by the Royal society of London [gallica]



„Aus Veranlassung eines Besuches, den am 26. Mai jenes Jahres [1900] der Verein für Naturwissenschaft zu Braunschweig den vorgeschichtlichen Denkmälern der Gegend zwischen Marienborn und Harbke abstattete, […] hat der damalige Vorsitzende des Vereins, Herr Director Dr. David Kaempfer in Braunschweig, etwa von SW her eine Photographie der Gruppe aufnehmen lassen, die er so gütig war, mir zur Anfertigung des diesem Aufsatze beigegebenen nebenstehenden Bildes zur Verfügung zu stellen…“ [pdf, siehe S.27/29]

Hochzeitsfoto meiner Großeltern Lisa geb. Rupp u. Hans Kaempfer
in Braunschweig Anfang der 1920er Jahre. Braut Lisa in der Mitte.
An ihrer Seite Marie und Bräutigam Hans, über ihr David (2).

Von den Marmorbrüchen Weißenburg am 17.8.1923 ausgestellter
und bis zum 15.9, 1923 gültiger Gutschein über 1.000.000 Mark


Vossische Zeitung_3.4.1928 [ganze Ausgabe als pdf] - Bestechungsskandal um Reichsbahndirektor Neumann, der 1927/28 das Schicksal der Kaempfer & Co besiegelte (Siehe auch den Anfang von Kästners Fabian: „Die Geschenke für Reichsbahndirektor Neumann“). - In anderen Zeitungen erschienen am selben Tag ebenfalls Artikel, allerdings nicht auf der 1. Seite, und David wird dort „Dr. Kemper“ genannt!


Anmerkungen
(3) Dazu eine Anmerkung aus der Inaugural-Dissertation von Philipp Maximilian Hoffmann (Friedrich-Wilhelms-Universität zu Bonn), „Kooperative Rationalisierung“ zwischen Hyperinflation und Zweitem Weltkrieg - Die Wandlung der Lieferanten-Abnehmer-Beziehung von Reichsbahn und Waggonindustrie unter dem Einfluss der „Reichsbahnverträge“, Anm. 1270 - S. 124/5 [pdf]:
Korruptionsvorwürfe und –prozesse hatte es während des Bestehens der Deutschen Reichsbahn-Gesellschaft bereits zuvor gegeben. Als Folge dieser Korruptionsvorwürfe wurde die Organisation des Einkaufswesens bei der Reichsbahn 1930 vollständig umgestaltet. Das seit 1907 bestehende Eisenbahn-Zentralamt stellte die wichtigste Konstruktions-und Beschaffungsstelle für Fahrzeuge und Betriebsstoffe dar und hatte seine bedeutende Rolle bei zusammenfassend zu behandelnden Geschäften auch nach der Gründung der Deutschen Reichsbahn-Gesellschaft behalten. Gottwaldt: Spiro, S. 45f. Spiro: Reichsbahn-Zentralamt, S. 503. 1930 arbeiteten 1.150 Beamte in dem aus neun Abteilungen bestehenden EZA. Baumann: Verkehrsbuch, S. 98. Missstände im Einkauf von Betriebsmitteln und bei der Verwertung von ausgemusterten Fahrzeugen waren Teil einer öffentlichen Diskussion über die Zustände bei dem größten Auftraggeber der deutschen Wirtschaft. Der Kauf einer Villa in Neubabelsberg durch den für die Ausmusterung von Lokomotiven zuständigen Dezernenten, Direktor bei der Reichsbahn Wilhelm Neumann, hatte ein breites Presseecho herbeigerufen. Zwei weitere Dezernenten hatten sich nach öffentlichen Korruptionsvorwürfen erschossen. Gottwaldt: a.a.O., S. 45f.Zur Korruption in der NS-Zeit allgemein, siehe: Bahjor: Parvenüs.
NB. - Kontakt / Kommentare auf: https://skaempfer.blogspot.com/