Kommentar in eigener Sache
Es
fehlen Daten und Personen. Für die nicht angeführten
amerikanischen Kaempfers habe ich keine Nachkommen
gefunden. Und es fehlen die jüngsten Generationen. Die
noch Lebenden. Diese Seiten jedoch können eine Gegenwart
nicht mehr erfassen, in der personenbezogene Daten und
Selbstdarstellungen zur Massenware geworden sind. Denn
sie erzählen die lückenhafte Geschichte der Vorfahren
anhand der spärlichen Dokumente, die ein Menschenleben
damals hinterlassen hat.
Was aber
hält eine so weit verzweigte Familie heute noch
zusammen? – Ist es der Name? Er wird von vielen anderen
Familien getragen. Und die Mädchen legen ihn ab, wenn
sie heiraten. – Ist es die Religion? Einige haben den
jüdischen Glauben bewahrt, andere dem Gott abgeschworen,
der Auschwitz zuließ. Noch andere sind so genannte
"Mischehen" eingegangen. – Ist es die Provinz Posen? So wie
sie die Vorfahren gekannt haben, existiert sie schon
lange nicht mehr.
Warum
also diese Familiengeschichte? – Es begann mit einer
Verstörung, als ich über ein Gedenkbuch "stolperte", das
einen in Posen geborenen
Georg Kaempfer und seine Familie erwähnte. Ich
erinnerte mich, dass auch mein Urgroßvater
David Kaempfer aus dieser Stadt stammte. Also fing
ich an zu recherchieren. Und stolperte weiter. Über
Richard,
Emil,
Johanna,
Ludwig. Und stieß auf ein Schweigen, eine Lähmung,
einen Bruch. Auf das Verlassensein in einer Welt voller
Angst und Schrecken, in der die Familie und das eigene
Selbstvertrauen zerstört waren.
Wenn sie
auch als solche aufgefasst werden können, präsentieren
diese Seiten keine genealogische Recherche im strengen
Sinne, sondern vielmehr Dokumente zu einem
ungeschriebenen Roman. Allerdings glaube ich kaum, dass
ich über die Energie und die Sprachgewalt verfüge, um
ihn auch wirklich schreiben zu können. Mein
Großvater Hans hatte
nach dem Krieg lange Jahre an einer Art Familienroman
gearbeitet, den er trotz seiner Verlagsbeziehungen nicht
veröffentlichen konnte. Vielleicht ist er weniger aus
mangelnden schriftstellerischen Fähigkeiten, als an
einer Geschichte gescheitert, die in der heutigen Zeit
auf herkömmliche Weise nicht mehr erzählt werden kann.
Stefan
Kaempfer, Februar 2020
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